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Die Ausstellungen

2003 Frauenmuseum

Frauenmuseum Wiesbaden

Ausstellung Frauenmuseum Wiesbaden April 2003<br />

Das Lilithprojekt

Ausstellung Frauenmuseum Wiesbaden April 2003

Lilith mit fremden Köpfen<br /><br />

Alle meine Kinder

Lilith mit fremden Köpfen

Lilith-Verkleinerungen

Gedrehte Keramische Skulptur

Lilith, Urmutter

Gedrehte Keramische Skulptur

Impossible Vessels und Tulpenbild

Die ersten drei Verkleinerungen der Lilith<br />

Lilith-Verkleinerungen

Die ersten drei Verkleinerungen der Lilith

Porzellanköpfchen auf Pättchen<br />

Verlorene Kinder

Porzellanköpfchen auf Pättchen

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Das Lilith Projekt, 

oder die Kraft der kleinen Form

 

DIE VORGESCHICHTE:

Am Anfang war Lilith: Die erste Frau Adams; die Aufmüpfige; die Unangepasste; die, die nicht unten liegen wollte. Da erbat sich Adam von Gott eine neue Frau und bekam sie: Eva, aus seiner Rippe gemacht, und so, als ein Teil von ihm, in ihrer Ganzheit deutlich unterlegen. Das Patriarchat war geboren.

AM ANFANG ABER WAR LILITH.

Aus runden, gedrehten Gefäßformen habe ich Lilith gemacht, von innen her begriffen, geformt, ausgewölbt, gedehnt, mit Erde bestrichen und gebrannt.

„Wenn der Herr der Genesis bei seiner Menschenschöpfung sich zunächst als Töpfer betätigt, so deswegen, weil Menschenschöpfung am plausibelsten gelingt, wenn sie als Gefäßherstellung beginnt. Androide Gestalten machen können nach keramischen Routinen: Dies markiert zur Zeit der biblischen Genesis den Stand der Kunst.“1

Wenn Sloterdijk darauf besteht, dass „Adam als keramischer Hohlkörper geschaffen werden musste, weil die Menschen ihre erste Idee des Hohl-Seins, des Behälter-Seins, des Durchgang-Seins bei der keramischen Gefäßproduktion eingeübt haben“, dem für ihn „genialsten Gedanken der frühen Menschheit“2, so bestehe ich darauf, dass auch und vor allem der weibliche Ursprung der Menschheit, auch Lilith und ihre Nachkommen vom Prinzip Gefäß her entstanden sind.

Von der aus dem Gefäß entwickelten Lilith wurde eine Silikonform erstellt, die es mir ermöglichte, beliebig viele identische, weiterhin hohle Körper herzustellen.

Kein Akt des Gebärens, sondern eine Art gleichgeschlechtlicher Vermehrung; aus der Urmutter Lilith entstanden ihre Schwestern, aus Stereotypen wurden wieder Individuen, indem ich erneut Hand anlegte und der nächsten Generation zum Ausdruck verhalf. Die ursprünglich identischen Körper veränderten sich in Haltung, Ausdruck, Form und Oberfläche.

Die Form der Lilith habe ich an meinem 51. Geburtstag geschlossen, um die Transformation in die nächste Ebene zu ermöglichen. Aus dieser Form werden keine neuen Schwestern mehr entstehen.

Die letzte Figur aus der ersten Form habe ich in Grundhaltung und Gestik weitgehend der Urmutter angeglichen, sie ist der fast perfekte Klon. Da aber in allen Nachkommen der Lilith jeweils ein Schwindungs- und Brennvorgang mehr steckt, als in der Ausgangsfigur, ist sie etwa um 6 % kleiner. Ist sie doch aus der Form der Ersten entstanden. Sie soll nun Ausgangsfigur für eine neue Form werden.

LILITH UND IHRE SCHWESTERN:

Der Vorgang des „Klonens“ wird nun wiederholt. Weitere „Schwestern“ sollen entstehen: aus der letzten Figur der nächsten Generation wird jeweils die neue Form gemacht, die wiederum das Modell für eine weitere Form in sich trägt.

Aus jeder Form werden so viele Figuren entstehen, wie es meinem und ihrem jeweiligen Entwicklungsstand entspricht, aber nie mehr als ich an Jahren gelebt habe. Jede Generation wird sich in Haltung, Gestik und Oberfläche unterscheiden. Nur die letzte Figur einer Serie ist jeweils wieder der statischen Grundhaltung der Urmutter angepasst und der Formherstellung vorbehalten. Sie ist also die Ausgangsfigur, sozusagen das Stammzellenreservoir für eine neue Form, die ich herstellen lasse, derweil ich von meinem Schöpfungsprozess „ausruhen“ kann.

Da immer wieder ein Schwindungs- und ein Brennvorgang zwischen der letzten Figur und der neuen Form liegt, werden die Figuren kleiner und kleiner.Bei einer Ausgangsgröße von 35cm und einer Schwindung von 6 % hätten sie nach 30 Vorgängen nur noch eine Größe von etwa 5,5 cm.

ALLE ENTSTEHEN AUS DER EINEN:

Es geht darum, zu beobachten, wie sich eine Form mit ihren von mir vorgegebenen drei wesentlichen Merkmalen der Hohlheit, der Rundheit und der Individualität durch die ständige Minimierung verändert: Verlieren sie nur an Größe, oder werfen sie Ballast ab und erreichen ein Höchstmaß an Verdichtung und Konzentration? Was bleibt nach 30 „Klonvorgängen“? Was bleibt an Substanz? Welche Veränderungen werden sich bei mir bemerkbar machen? Ist es ein befriedigender Lösungsprozess, der es mir erlaubt, eine Form tatsächlich durchzuarbeiten, bis hin zu ihrer Auflösung durch die fortschreitende Reduktion? Welche Herausforderungen wird die Kleinheit mit sich bringen, wird das ständige Wiederholen zum immer Kleineren hin zu künstlerischen und inhaltlichen Ermüdungserscheinungen führen? Wird sich Seelenlosigkeit einstellen, weil ich nichts mehr einhauchen kann, weil die zunehmende Kompaktheit keine Hohlheit mehr zulässt?

Oder wird sich die Kraft der kleinen Form beweisen, wird sich durch Vielfalt und Wiederholung eindrücklich und lebendig das immer schon da gewesene des weiblichen Prinzips unaufdringlich darstellen lassen?

Und noch einmal Sloterdijk: „Wenn man etwas ins Hohle hineinbläst, entsteht eine Schwingung, aus dieser wiederum entstehen Sprache, Beseeltheit, Intentionalität, Ko-Subjektivität.“3

Ist doch mein Anliegen bei allen bisherigen Figuren die Beseeltheit, die Betonung der Individualität gewesen, um Kommunikation, ja Identifikation zu ermöglichen.

Vielleicht werden Figuren entstehen, die ähnlich der gesichtslosen Statuetten des Paläolithikums ihre Hauptaussage nicht mehr aus der Individualität, sondern aus einer Allgemeingültigkeit beziehen, aus der Betonung des Weiblichen schlechthin. Maturana schreibt: „Ich deute die Schar der weiblichen Statuetten (des Paläolithikums) nicht im Sinne eines <Matriarchats>, sondern spreche von <matristischen> Verhältnissen, weil nichts auf eine von Frauen gesteuerte oder beherrschte Kultur hinweist. Eine Geschlechterdiskriminierung scheint ebensowenig an der Tagesordnung gewesen zu sein wie ein Weiberregiment. So künden Zeichen matristischer Kulturen, die es nach wie vor in manchen Winkeln der Erde gibt, nicht von einer matriarchalischen Macht der Frauen über die Männer, sondern von etwas Subtilerem.“ 4

Dieses Subtile wieder herauszuarbeiten, anstatt nach Kategorien von Macht oder Ohnmacht zu fragen, nicht gefällig, idealtypisch, modisch zeitgenössisch daherzukommen, sondern authentisch, beharrlich, weiblich diese Gedanken zuende zu denken, diese runden, kleinen, wachen Frauen zu machen, ist mein Anliegen und Wunsch.

Sloterdijk zitiert Gaston Bachelard mit einem Satz, der mir aus dem Herzen spricht: „Die Welt ist rund um das runde Dasein“ und hält dies für ein erstaunliches Wort, „weil es dem zeitgenössischen Denken so fremd ist.“ Es „reklamiere eine essentielle Wohlgeratenheit für alles Runde...“5AM ANFANG WAR JEDENFALLS LILITH 

 

Literatur

 


1  Peter Sloterdijk: Sphären Bd.1: Blasen S. 32

2  Peter Sloterdijk, Hans-Jürgen Heinrichs: Die Sonne und der Tod, Frankfurt 2001. S.15

3  Ebd.: S. 152

4  Vgl.: Humberto Maturana: Was ist Erkennen. München 2001

5  Vgl.: Sloterdijk: Die Sonne und der Tod S. 199 

 

 

Bei der 13. Verkleinerung ereilte mich eine schwere Erkrankung, und das war das vorläufige Ende dieses Projekts.

Danach kam 1001nackt.