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Heiteres-Figürliches, Galerie Heller 2001

Rede zur Ausstellungseröffnung, Galerie Heller Heidelberg

„Heiteres Figürliches“ 

bei Marianne Heller, Heidelberg, 17. Juni 2001

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin sicher Marianne Heller war sich der Ungebührlichkeit bewusst, eine Sommerausstellung mit dem Titel Heiteres/ Figürliches in die Welt zu setzen. Figürliches- nun gut, das liegt durchaus noch im Trend, wenn auch etwas Abseits des Mainstreams, aber Heiteres? Auf das Heitere in der Kunst möchte ich eingehen, auf das oft unerlaubt Heitere, das vermeintlich Unintellektuelle.

Was ist es, was wir Ihnen hier präsentieren, wodurch unterscheidet sich diese Ausstellung von anderen. Was bedeutet heiter? Lustig, fröhlich, beschwingt, leicht locker? Ist heiter gleich oberflächlich? Ist heiter das Gegenteil von Ernst? Wann geht das Heitere über ins Lächerliche?

Heiterkeit kann durchaus hämisch sein, man denke an die Protokoll-Kommentare bei Parlamentssitzungen: allgemeine Heiterkeit. Sicherlich ist das nicht die Heiterkeit, die ich meine.

Nach einer These von Heinrich Lützeler, der ein Buch über den Kölner Humor geschrieben hat, ist der Witz zeitgebunden (er ist nur dann für uns verständlich, wenn er anknüpft an unser aktuelles Weltbild), der Humor milieugebunden, (oft sind bestimmte Äußerungen humorvoller Art nur bestimmten Kreisen zugänglich) und ich füge nun an, die Heiterkeit ist ungebunden. Sie ist ein Seelenzustand, der sich unabhängig von Ort, Zeit, Milieu oder Kultur einstellen kann und die sanfte, unaggressive Variante zum fröhlichen Schenkelschlagen und laut dröhnenden Gelächter darstellt. Ein durch und durch heiterer Mensch, (nicht umsonst kommen hier oft die Wort gelöst oder gelassen dazu) ist Balsam für unsere gestressten Seelen. Er ist in der Lage, Aggressivität zu verwandeln und uns in Form eines Lächelns zurückzugeben.

Ähnliche Fähigkeiten spreche ich allerdings auch Gegenständen zu, die Momente von Heiterkeit versuchen festzuhalten. Dabei eignet sich die menschliche Figur als Medium besonders gut, weil hier die Möglichkeiten der Identifikation und des Wiedererkennens gewährleistet sind.

Was wir also hier tun ist, schamlos auf einer gefühlsmäßigen Ebene zu operieren, wir erlauben uns, etwas anzubieten, was schön ist, wiedererkennbar ist(besser gesagt figürlich), oft klein ist, lustig ist (besser gesagt heiter), und bei Ihnen, den Betrachtern im großen und ganzen positive Gefühle erzeugt, wir erlauben uns, ihre Mundwinkel nach oben zu ziehen. Unsere Verschlüsselungen sind schnell als solche zu verstehen, unsere Übertreibungen und Interpretationen öffnen sich leicht Ihren Beurteilungskriterien, wir machen Ihnen unsere Kunst zugänglich. Wir machen es Ihnen leicht.

Das heißt aber nicht, dass wir es uns leicht gemacht haben.

Zunächst mal galt es für uns, das Vorurteil zu überwinden, das ganz klar besagt, dass der ernsthafte Anspruch von Kunst nicht mehr wahrgenommen wird, wenn Elemente von Humor darin auftauchen. Heitere Figuren  gehören somit automatisch in den Bereich der außerintellektuellen Wirklichkeit. Der Entschluss, Heiteres, Humorvolles zu entwickeln muss von Selbstbewusstsein und Stärke getragen sein, begeben wir uns doch sehenden Auges in das Dilemma, möglicherweise nicht ernst genommen zu werden. Die Angst davor hat allerdings schon so manche gute Kunst verhindert und zu entsetzlichen Materialvergewaltigungen geführt. Denn Intellektualität ist zur Zeit unabdingbar, vor allem im keramischen und kunsthandwerklichen Bereich. Müssen wir uns hier doch ohnehin schon mit Schwierigkeiten rumschlagen, wie der des Fehlens von kritisch kunsthistorischen Theorien. Also müssen die Gefäße, die eigentlich immer nur Gefäße sind und bleiben, mit einer intellektuellen Aura umgeben werden. Die Leere im Gefäß und der Raum darum herum fordern zum kritischen Diskurs und dieser löst beim Rezipienten ähnliche kleine wohlige Schauer aus, wie vor einigen Jahren die Höhe der Brenntemperatur in einem japanischen Anagama Ofen. Man hat das Gefühl, eine Ahnung vom Wesentlichen zu bekommen und daran teilzuhaben.

Das Auslösen der Gefühle geschieht hier indirekt, es bedarf eines Vorlaufs, des Wissens um den zugrundeliegenden Anspruch. Die Ernsthaftigkeit des Anspruchs wird mit dem intellektuellen Überbau untermauert. Dem ist nichts entgegenzusetzen, wenn es ehrlich und durchdacht ist. Wenn ein Gefäß schon keine Gefühle mehr auslösen kann, dann soll es wenigstens das Denken anregen! Vielleicht gelingt es.

Aber wenden wir uns wieder dem sogenannten Außerintellektuellen zu und der Überlegung, welchen Sinn diese Stücke haben und was sie bei ihnen auslösen.

Ich sagte es bereits- zumindest ein Schmunzeln, ein Lächeln, Heiterkeit, manchmal sogar ein lautes Lachen. Dadurch machen wir auf. Wozu? Was kommt danach?  Umberto Eco legt Jorge im Dialog mit William von Baskerville in seinem Buch „der Name der Rose“ den Satz in den Mund „aus diesem Buch (Es handelte sich um das 2. Buch der Poetik von Aristoteles, in dem er sich über das Lachen und die Komödie geäußert hat), aus diesem Buch also könnte leicht der luziferische Funke aufspringen, der die ganze Welt in einen neuen Brand stecken würde, und dann würde das Lachen zu einer neuen Kunst, die selbst dem Prometheus noch unbekannt war: zur Kunst der Vernichtung von Angst“[1] Was Jorge dazu bringt, mehrere Morde zu begehen und letztendlich die ganze Bibliothek in Brand zu setzen, damit dieser Funke nicht auf die Menschheit überspringe, denn: „das Lachen schürt nur den Zweifel. Über die Wahrheit und die Schönheit lacht man (eben) nicht“[2]. Eco baute also einen ganzen Roman um die angenommenen Gefahren des Lachens. Welche Bedrohung.... welche Chance!

Also bauen wir unsere kleinen keramischen Figuren, aber um die angenommenen Freuden und Wirkungen des Lachens, um ihre kleinen verborgenen Wahrheiten, Schönheiten und die ihnen innenwohnende Heiterkeit:

hier die Bildunterschrift hin

Da ist die pralle Schönheit in den polierten Oberflächen der Sophie Combres, deren farbenprächtige Figuren die Wölbungen ihrer Gefäße umspannen, da sind die Frauen in ihren Spitzenbadeanzügen von Stefanie Dinkelbach, mit der Aufforderung der Künstlerin sie wahrzunehmen und zu merken, dass sie schöner sind als sie (Sie) denken. Und hatten Michaels Flynns Narren nicht schon immer die Aufgabe, die herrschende Ordnung satirisch umzukehren und den Mächtigen (der keramischen Szene) den Spiegel vorzuhalten? Meine eigenen Figuren aus der Serie ein mal fünfzig, die Besucher und Besucherinnen ins Gespräch zu bringen vermögen und die Aussage möglich machten: „Ich esse wieder“, wie es im Gästebuch stand. Da ist Marja Hooft, die an Delfter Traditionen anknüpfend „aufgemacht“ hat, und ihren leichten Wesen eine blaue Seele eingehaucht hat. Christy Keeney aus Irland, dessen großflächige Köpfe und Büsten Portraits von Vorfahren sein könnten, die an kalten Wintertagen auf Kaminsimsen heitere Wärme und Geborgenheit ausstrahlen. Da ist Freia Kurtz, die mit ihren ironischen Varianten der amerikanischen Freiheitsstatue einen sehr zeitgenössischen Kommentar zum amerikanischen way of live und im Besonderen zur aktuellen Bush´schen Politikauffassung liefert. Und Anna Noel verwandelt still und leise die englische Treibjagd in lyrische Ausritte voller Melancholie und Selbstironie. Das Schwein von Tomas Prolls ist offensichtlich all der Hysterie entkommen (obwohl es noch nicht vorbei ist mit der Maul und Klauenseuche) und sanft entschlossen, auf seinem Ruhekissen hier zu entschlummern. Und heiterer, figürlicher kann man an dieses Thema kaum gehen, als die Österreicherin Gerda Smolik, die ohne Rücksicht auf intellektuelle Verluste die Nippes-Figurinen aus dem 19. Jahrhundert auf die Schippe nimmt und ihnen schamlos keinerlei Bedeutung zukommen lässt als die, die sie immer schon hatten, wunderbare kleine Spiegelungen menschlicher Neigungen zum Kitsch zu sein. Ute Thiel weist schließlich, die stolzen Brüste vorantragend ironisch liebevoll und spielerisch heiter, die Richtung in dies gehen soll, up hill und hoch hinaus mit einem Lächeln auf den Lippen.

Kosten Sie also die verführerische Wirkung des heitern Lachens und lassen sie sich davon anstecken. Viel Spaß!


[1] Umberto Eco: Der Name der Rose. München 1986 S.604 In: Kunstforum Bd. 120. S. 90

[2] Eco, ebenda. S.602 In: Kunstforum Bd. 120 S.91