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Jule Elfert Jacobi, thalhaus 2002

thalhaus Galerie Wiesbaden

Thalhaus Wiesbaden, 15.11.2002

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Jule Elfert Jacobi,

Ausstellungen sind für Künstlerinnen und Künstler immer sehr zweischneidige Ereignisse: Da ist zum einen die Möglichkeit, seine eigenen Werke im neuen Umfeld zu präsentieren und sie so mit den eigenen Augen wieder neu zu sehen. Zum andern eben aber auch, sie den fremden Augen, nämlich denen der Ausstellungsbesucher, also IHREN Augen auszusetzen. Für die Bilder, die zum ersten Mal gezeigt werden, ist es das Ende der Privatheit, sie werden der eigenen vertrauten Umgebung entzogen und dem öffentlichen Auge preisgegeben. Ein Vorgang, der zum Kunstmachen dazugehört, eine Station auf dem Weg  des Loslassens, sozusagen das Coming out eines Bildes.

Ich kenne Jule Elfert-Jacobi seit fast 20 Jahren und habe daher mitbekommen, was es für sie bedeutet, ihre Bilder der Öffentlichkeit anzuvertrauen, nach außen zu gehen und Kritik und Kommentare zuzulassen. Jahrlang war dies gar nicht möglich oder nur im ganz vertrauten Kreis, erst ganz langsam wagte sie mehr und tauchte auf. Inzwischen schwimmt sie ganz sicher an der Oberfläche.

Damit bin ich aber eigentlich beim Ende dieses Prozesses, lassen Sie mich noch einmal zu Anfang zurückkehren.

Ich erinnere mich noch, als wir uns kennen lernten in der Malgruppe bei Marc van den Broeck, an den Titel eines ihrer Werke „Das kleine Gelb“. Der  Meister war von ihren abstrakten Abschweifungen ganz und gar nicht angetan, wollte er uns doch die Geheimnisse der Perspektive, der Schraffur und des exakten Faltenwurfs vermitteln. Jule Elfert Jacobi aber blieb bei ihrem „kleinen Gelb“ und verwandelte es in hartnäckiger, konsequenter und gekonnter Weise zu einem großen Gelb, großen Blau und zu großen Farben. Als ich ihre Werke nach vielen Jahren wiedersah, war ich erstaunt und begeistert über die folgerichtige Weiterführung  dieses Ihres Themas.

Um Ihnen dieses ein klein wenig näher zu bringen, bediene ich mich zunächst eines vertrauten Mittels, der sich bei jeglicher Kunstbetrachtung bewährt hat:

Wir kennen ja alles dieses Phänomen, dass wir Kunstwerke gerne in schon vorhandene Schubladen stecken, wir knüpfen als Rezipienten gerne an das was wir schon kennen, auch um damit ein wenig zu demonstrieren, dass wir zumindest eine Halbbildung auf diesem Gebiet vorweisen können.

Deswegen ist es wichtig, als Kunstschaffende(r) um diese Schubladen zu wissen, Namen parat zu haben, erkennen zu geben, dass man sich damit auseinandergesetzt hat, um dann eingehend die Unterschiede zu dem eigenen Ansatz zu erläutern.

Also ich tue das hier stellvertretend für Jule Elfert Jacobi. Natürlich hat sie sich intensiv mit dem abstrakten Expressionismus und der später dann so genannten Farbfeldmalerei von Künstlern wie Barnett Newman und vor allem Mark Rothko auseinandergesetzt. Er war derjenige, der „die Farbe in ihrer meditativen Raumdimension entdeckte“ (wirklich??) Er war derjenige, der einen „Schwebenden Zustand der Farbe durch verschwimmende Randzonen“ erzeugte. Zumindest wurde dies in Bezug auf seine Malerei zum ersten Mal so formuliert. Gemacht wurde es natürlich von vielen und schon viel früher. Mir gefällt, was er gesagt hat: dass er die “vertraute Identität der Dinge pulverisiert, um zum einfachen Ausdruck für komplexe Gedanken zu kommen“.

Jule Elfert Jacobi pulverisiert nicht, ich finde, sie verdichtet das Ungegenständliche, sie löst es nicht auf sondern sie fragt es ab auf für sie relevante Merkmale.

Und ist dies letztendlich nicht das Anliegen eines jeden Künstlers: komplexe Gedanken mit seinen Mitteln in eine „einfache“ sprich lesbare, erfahrbare, empfindbare Form zu bringen. Sie können natürlich niemals all das nacherleben, was während des Malens passiert ist, und doch möchte man es zeigen als Künstler, irgendwie möchte man den Betrachter mit einbinden und ihm Verstehen ermöglichen. (Selbst die Konzeptkunst tut dies, mit viel Information und Text, durch intellektuellen Überbau und Unterbau, wissenschaftliche und halbwissenschaftliche Exkurse, mal besser, mal weniger gut verständlich), immer aber hat jeder Künstler das Bedürfnis, dass man ihn versteht, dass man die komplexen Gedankengänge nachvollziehen kann als Betrachter, denn sonst wäre jede künstlerische Arbeit sinnlos.

Wir können nur ahnen, wie solche Prozesse ablaufen, ich ahne das Suchen mit dem Pinsel bei Jule Elfert Jacobi, ihr Tasten, Ausloten, Verwerfen, ihr Verwischen, Betonen, Zurücknehmen, ihr Drängen Anhalten, Vorwärtstürmen, Zögern, Zweifeln und schließlich, ihr Entspannen, Loslassen und Beenden.

Ich weiß aus ihren eigenen Texten um ihr Misstrauen gegenüber Dingen wie Harmonie, Schönheit und Ausgewogenheit, ich ahne ihren Widerstand dagegen, ja ihre Wut, die immer dann auftaucht, wenn die Bilder zu „verhübschen“  drohen.

Aber kann man kann das sichtbar machen, kann man das sehen?

Ich kann es ihnen erzählen und hoffen, dass Sie die Bilder noch einmal  mit  dieser Information im Kopf betrachten. Aber immer bleibt so ein Bild auch ein Geheimnis, ein nicht entschlüsselbares Werk, weder durch unser Wissen um Ähnliches, noch durch die Theoriefindung und Theoriebildung des Künstlers selbst.

Es würde an ein Wunder grenzen, wenn man als Künstler Unsichtbares sichtbar machen könnte, (was, wie ich von ihr weiß, auch Jule Elfert Jacobi zu gern machen würde) aber was sie, diese Künstlerin hier, allerdings kann ist, neue Empfindungen beim Betrachter hervorlocken, so wie es mir ging als ich eines ihrer Bilder sah und sogleich „wusste“ was es bedeutet, obwohl die Künstlerin dies niemals so gemeint und beabsichtigt hatte. Ich hatte also meine Welt dazugetan zu ihrer und heraus kam eine für mich relevante Bedeutung. Und damit bin ich wieder am Anfang meiner Betrachtungen und am Ende dieser Einführung: Das Bild den Augen der Fremden übergeben und aushalten, was diese darüber zu wissen glauben und dann daraus machen.

Tun Sie das Ihre dazu.