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Texte und Medien

Ina Mayer, thalhaus 2005

thalhaus Galerie Wiesbaden

Rede zur Aussellungseröffnung

Ina Mayer

Fotomosaike

Wem auch immer ich den Katalog von Ina Mayer zeigte während meiner Vorbereitungen zu dieser bemerkenswerten Ausstellung, der Kommentar war meist, ah, das erinnert mich an etwas, ach ja, wie der Blick durch ein Kaleidoskop....

Ich suchte in den Texten, im Katalog und in den Unterlagen, die mir Ina Mayer gegeben hatte, aber dieses Wort fand ich nirgendwo, ich  fand viele andere, auf die ich auch noch eingehen möchte, weil sie gut passen, aber erst mal will ich mir dieses Ding vor Augen führen, das Kaleidoskop, das von dem griechischen Wort Schönbildseher abgleitet wurde.

Wahrscheinlich kennen wir es alle, dieses kleine Rohr mit der Linse und den vielen tausendfachen Spiegelungen unendlich schöner Kleinigkeiten, diese überraschenden Explosionen von Licht, Farbe und Form bei jeder Drehung. Fast schmerzhaft spürbar ist mir auch noch die Ungeduld, endlich selbst in diesen so offensichtlichen Genuss zu kommen, wenn man hintan stand und nur am offen staunenden Mund des Betrachters das Ausmaß dieser Kostbarkeit ahnen konnte, gib her, gib her, ich will auch gucken, lass mich auch mal sehen....

Ja, und endlich dessen habhaft geworden, sofort der Wunsch, etwas davon festzuhalten,  es zu bewahren, gleichzeitig verbunden mit dem Wissen, dass es unmöglich ist; denn, eine Drehung und aus und vorbei, aber dann: die nächste Drehung und die tausendfache Entschädigung für das verlorene Glück.

Und jetzt, die Konfrontation mit diesen Bildern, diesen Fotomosaiken von Ina Mayer. Da, endlich, jemand hat genau das festgehalten, angehalten, zusammengesetzt, was uns in den Trugbildern der Kaleidoskope erschienen war, ohne das irgendwas verlorengegangen wäre und ohne dass man das vorherige oder das nächste Bild vermisst.

Das sind Erscheinungen, die gleichsam vertraut und fremd wirken, alles kommt einem bekannt vor, und doch ist alles anders. Sie sind merkwürdig kompliziert und einfach zugleich, sie wirken durch die ständige Wiederholung von Farben, Mustern und Motiven belebend und irritierend. Man taucht ein, die Oberfläche kräuselt sich und man findet sich in einer anderen Welt. Sie lässt zumindest mich beglückt im Rausch der Farben, Rhythmen und rätselhaften Formationen herumwandern.

Ina Mayer narrt uns Betrachter; den Faden,  den man glaubt gefunden zu haben, den Weg den man glaubt gehen zu können, sie entziehen sich einem, immer wieder muss man neu ansetzen, sucht den Anfang, möchte entwirren und wird dabei unmerklich hineingezogen in tiefere Schichten, verborgene Räume, vielfältige Schönheit.

Sie selbst sagt: Das Leben entfaltet sich zu einem Netz aus Wegen, Verzweigungen und Knotenpunkten, aber dem verständlichen Bedürfnis nach Überschaubarkeit, Orientierung und Einordnung trägt sie nur vermeintlich Rechnung.

Die einfachen Dinge zu Leuchten bringen, will sie. Das Arrangieren der Dinge ist der Sinn meiner Arbeit, sagt sie, das ist der Inhalt, es gibt keine symbolhafte Überhöhung, es gibt nichts hinter der Oberfläche. Gewollt sind unendliche Räume ohne Zentrum und Horizont, ohne oben und unten, selbst die natürliche Begrenzung des Bildes erweitert sie und löst sie auf.

Die Oberflächen mit ihren vermeintlichen Inhalten werden zu neuen komplexen Formationen arrangiert, sie erfindet Strukturen, Muster, Verknüpfungen, Netze. So fügt sie aus vielen bunten Einzelteilen ein organisiertes Chaos zusammen und webt große Ornamente mit, wie sie sagt „nichthierarchischen Verzweigungsstrukturen“

Da ist für mich der eigentliche Sinn verborgen.

Dieses keine Schwerpunkte setzen, die einfachen Tätigkeiten, bei denen sie sich selbst fotografiert hat, in der rhythmischen Widerholung gleichwertig nebeneinander gelten zu lassen und ihnen damit eine neue Wertigkeit zukommen zu lassen.

Fast liegt darin für mich ein Schlüssel zur Bewältigung des Alltags verborgen; die immer gleichen Tätigkeiten im Haushalt, bei der Arbeit, in der Liebe, in der Freizeit, wie langweilig und eintönig können sie daherkommen, wie stumpfsinnig und öde. Neu zusammengesetzt werden sie zu facettenreichen und  spannenden Mustern, die wir mit Lust und großem Vergnügen betrachten können.

Ina Mayers Aufenthalte in Indien haben Spuren hinterlassen, die Ornamentik islamischer Kunst, die Prächtigkeit hinduistischer Bildauffassung, all das fließt mit ein in diese Werke, die sich so schwer in die Schubladen unseres vertrauten kunstgeschichtlichen Kanons einordnen lassen. Wenn überhaupt, so sagt sie selbst, dann wäre es Matisse, der mit der ihm eigenen ornamentalen Bildsprache einen gewissen Einfluss auf sie gehabt hätte.

Entdecken Sie ihre eigene Welt in den verschlüsselten Bildwelten von Ina Mayer. Viel Vergnügen und Erkennen dabei.

Theresia Hebenstreit