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Irmgard Weber, thalhaus 2009

Bewohntes Land

Guten Tag liebe Kunstfreunde und liebe Kunstschaffende,

ich freue mich sehr, Sie im Namen des thalhaus hier in unserer Galerie begrüßen zu dürfen.

Genauso wie Rüdiger Kündgen, dessen Landschafts-Bilder in der letzten Saison das thalhaus bereichert haben, haben wir Irmgard Weber auf der Kunstmesse Kunst direkt in Mainz für uns entdeckt. Sie hat uns spontan mit ihrer Malerei überzeugt und begeistert und wir sind sehr froh, sie für eine Ausstellung im thalhaus  gewinnen zu können.

Irmgard Weber ist seit 1983 freischaffende Künstlerin, und lebt und arbeitet in Pirmasens und Trier. Sie ist Mitglied in verschiedenen Kunstvereinen und seit 1990 im Berufsverband Bildender Künstler, Rheinland-Pfalz. 1988 erhielt sie den Ramboux-Preis für Malerei der Stadt Trier und 1995 ein Reisestipendium der August-Müller-Stiftung Rheinland-Pfalz . Eine rege Ausstellungstätigkeit in renommierten Galerien im In- und Ausland, sowie ihre Dozententätigkeit für Zeichnung und Malerei in Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg, Frankreich und Spanien zeugen von einem reichen und anerkannten Künstlerleben.

BEWOHNTES LAND

So nennt sie ihre Ausstellung. Da stellt sich mir als Betrachterin sofort die Frage: Welches Land und von wem wird es bewohnt?

Und deswegen komme nicht um den Ursprung dieses Begriffs herum, auch wenn vielleicht ein Bezug zu den Arbeiten Irmgard Webers zunächst mal weit hergeholt erscheint. Der so „normal“ daherkommende Titel BEWOHNTES LAND ist voll von Geschichte und aufgeladen mit Bedeutungen.

BEWOHNTES LAND heißt oikoumené (Ökumene), kommt aus dem griechischen und …zum ersten Mal in der Bibel vor. Da heißt es:  „Ich will euch aus dem Elend Ägyptens hinaufführen in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hewiter und Jebusiter, in ein Land, das von Milch und Honig überfliesst.“ (2. Mose 3, 17)

So hat Gott seinem Volk kein menschenleeres Land verheissen, sondern ein besiedeltes Land. Damals wie heute ist das Volk Israel in ein BEWOHNTES LAND eingezogen, also an den Ort, wo alle anderen Völker ihren Platz schon hatten, die Juden aber noch nicht.

Wie viele es damals waren, weiß ich nicht, aber im 20. Jahrhundert sind wieder Juden sind in ein bewohntes Land eingezogen, haben sich ein winziges Stückchen davon genommen und 6 Millionen von ihnen versetzen auch heute noch 500 Millionen Moslems in Angst und Schrecken. Sie sind deswegen immer das unbeliebte und unwillkommene Volk. Sie müssen in der Welt der Völker, in der Ökumene, also in dem BEWOHNTEN LAND erst noch Fuß fassen und akzeptiert werden, und wenn man so will, eigentlich in der ganzen Welt.

Ökumene im modernen Sinne will Grenzen überwinden, allerdings solche, die im Lauf der Jahrhunderte zwischen den christlichen Konfessionen aufgerichtet wurden. Der Ursprung des Wortes ist hier also schon nicht mehr berücksichtigt.

Und wer Grenzen überschreitet, sie sogar überwinden will,  gelangt zwangsläufig in Neuland, in bewohntes Land, geht auf ungewohnten schon von andern begangenen Wegen, und kommt vielleicht durch unwegsames, gefährliches Gelände…

Soviel zu dem Hintergrund des Begriffs BEWOHNTES LAND, der mir aber doch- auf Umwegen zwar- einen vielleicht nicht beabsichtigten aber interessanten Zugang zu den Arbeiten von Irmgard Weber erschlossen hat.

Immer wieder habe ich beim Betrachten der Bilder das Gefühl, das da vorher schon was war, jemand, etwas, etwas nicht fassbares, nicht zu entschlüsselndes, verborgenes, aber eben doch vorhandenes. Das Land war schon bewohnt.

Etwas lugt hervor, steht schemenhaft im Hintergrund, ist angedeutet, irritert.

Ungewöhnliche Kontraste, sensibel wachsende Schichtigkeit, irrisierende Bewegung lassen einen noch und nochmal hinschauen. Großzügige zeichnerische Gesten und farbige Kraftfelder ziehen sich an und stoßen sich ab.

Grenzen werden gezogen, wieder verwischt, verhuschte Existenzen entstehen und vergehen, Farbmeere ergießen sich in verblassende Räume, Geschehen wird angedeutet und  wieder verworfen.

Immer war da was, das Land war schon bewohnt.

In unbewohntem Land können solche Bilder auch nicht entstehen, sie können nicht aus der Leere kommen, aus Niemands-Ländern. Etwas wenigstens muss schon da gewesen sein, etwas das widerständig oder willig ist, was schon vor und nach dem andern da war, sich aufdrängt und sich verweigert. Nur so kommen die Prozesse in Gang, die Prozesse, die Irmgard Weber zweifelnd, tastend, kraftvoll und sicher durchläuft, um zu ihren Ergebnissen zu kommen.

Da sie nie weiß, was sie erwartet, wer schon da war oder ist, muss sie sich immer wieder aufs Neue auf unbekannte Pfade begeben, ihre Spuren setzen, denen der andern nachspüren und sie verfolgen, um sie entweder zu betreten oder zu verwerfen. So etwas geht nie ohne Kampf, ohne Auseinandersetzung. Dem muss sie sich immer wieder stellen. Muss immer wieder ihre Marken setzten.

Ihre farbigen Marken setzt Irmgard Weber gerne in Grün!

Grün vereint das Geistige der Farbe Blau mit der emotionalen Wärme der Farbe Gelb. Beides zusammen steht für Wachstum und Weisheit. Und doch ist Grün eine der seltensten Farben in der Welt der Kunst. In anderen Bereichen besitzt sie dagegen hohe symbolische Wirkung.:

So ist Grün die heilige Farbe des Islam und damit sind wir zurück im bewohnten Land. Und da In China die Farbe Grün dem weiblichen Yin, dem empfangenden Prinzip, zugeordnet ist, würde ich mit Gioconda Belli sagen: Irmgard Weber ist eine bewohnte Frau in einem bewohnten Land indem sie immer wieder ihre unverwechselbaren Spuren hinterläßt.

Und da Gioconda Belli die Liebblings Lyrikerin von Irmgard Weber und zufälliger Weise auch von mir ist noch ein kleines Gedichtfragment zum Schluß von dieser ungewöhnlichen Schriftstellerin aus Nicaragua:

Ich erfand einen Baum, einen großen Baum,

größer als ein Mann,

größer als ein Haus,

größer als die letzte Hoffnung.

Jahrelang wohnte ich in seinem Schatten und wartete auf ein Wort.

Ich sang ihm Lieder,

umarmte ihn,

kratzte an seiner rauhen Rinde,

mein lachen brach Blüten aus seinen Zweigen,

jede meiner Bewegungen lockte

neue Blätter und Früchte hervor

Er war mein wie nie zuvor etwas mein war.

 

…aus dem Gedichtband, Wenn du mich wirklich lieben willst

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich diese Bilder neu erfinden um in sie hinein lauschen zu können, und viel Freude dabei.